Finn-Ole Heinrich
"Mit den Augen in der Ferne
und dem Kopf auf dem Pflaster"
Der aktuelle Ateliergast des ULNÖ zählt
zu jener Generation von jungen Autoren,
die nicht nur in der Verschriftlichung
ihrer Themen ein sensibles Gespür für
den literarisch überhöhten Umgang mit
der Realität beweisen, sondern auch als
Performer der eigenen Arbeiten höchstes
Lob ernten. Finn-Ole Heinrich wird im
Betrieb als sensationelles Erzähltalent
gehandelt, als eine Stimme, die der
deutschsprachigen Literatur gefehlt hat:
"Seine Sätze treffen eine Stelle, die lange
niemand mehr berührt hat." "Dramatische
Tiefen, authentische Figuren, zu aufrüttelnder Fiktion verdichtete Realität."
So urteilt die Rezension. Der umtriebige
Autor studierte in Hannover Bildende
Kunst und Film und wurde für seine vielfältigen Arbeiten in den unterschiedlichen
Genres mit renommierten Preisen ausgezeichnet.
»Ich stelle mir vor: Spaziergänge im Sommer
mit kurzen Hosen und Prothese, ihr Sichelfuß im Gras, das Zappeln und Planschen
ihres Stumpfs im Wasser. Ich kann keine
leichten, keine lässigen Gedanken mehr
denken. Da steht sie plötzlich auf, rührt
mir mit ihrem Blick die Gedanken um und
küsst mich lange. Dann schnelles Taktak,
Schuh und Kohlefaser über das Kopfsteinpflaster des Marktes. Sie rennt auf den
Baum in der Mitte des Platzes zu. Keinen,
seit ich hier wohne, habe ich je daran klettern sehen. Aber jetzt Susan, die Behinderte. Ihr krächziges Lachen, die Sichel an der
Rinde, die Hände am Ast, steigt sie hinauf.
Hängt sich kopfüber wie ein Kind im Klet-
tergerüst in den Baum. Die Leute gucken.
Ich trinke Bier und gehöre nicht dazu.«
(Aus: Gestern war auch schon ein Tag,
Erzählungen, mairisch Verlag, 2009)
Teilnahme an Literatur & Wein: 2011