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Wein, Wort und Liebesbrände
von Stefan Gmünder

Das Leben, heißt es, ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Muss nicht sein, meinte der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel einmal: Dafür sei es allemal lang genug. Es ist bekannt, dass Bichsel auch exquisiten Rebensaft keineswegs verachtet, vielleicht spielt er mit seinem Sager darauf an, dass es immer - auch - entscheidend ist, in wessen Gesellschaft man ihn trinkt. Und die ließ vergangenes Wochenende beim "internationalen Kulturenfestival" Literatur & Wein, das nunmehr zum zehnten Mal auf Stift Göttweig in der Wachau stattfand, nichts zu wünschen übrig.

Eröffnet wurde die viertägige Veranstaltung Mittwochabend von Franz Schuh, der sich als langjähriger "Anhänger des Weinguts Loimer" outete. Leider konnte der bedeutende, aber immer noch viel zu unbekannte Basler Autor Jürg Laederach, der mit Schuh über "Schlechte Nachbarn - Europäisches Format" diskutiert hätte, aus Krankheitsgründen nicht anreisen. So wurde aus der als Gespräch geplanten Eröffnung eine luzide, von Klaus Zeyringer moderierte Selbstbefragung über das "kommunikative Beschweigen" der Vergangenheit in den Alpenländern, "Begierdeösterreicher", Schuhs Abneigung gegen die vornehmen Töne im Kulturbetrieb und das "Pathos als bedeutender ästhetischer Ausdruck des Leids".

Schwellenzeiten

Als eine Mischung aus Sisyphos und Sacher-Masoch und als einer, der kein Lehrer sein, vielmehr Schüler bleiben will, bezeichnet sich Juri Andruchowytsch, der gegenwärtig wohl bedeutendste ukrainische Autor. Er las Freitagabend aus seinem 2006 mit dem "Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung" ausgezeichneten Karpaten-Roman Zwölf Ringe, in dem ein österreichischer Fotograf eine tragende Rolle spielt. Anschließend las Arno Geiger eine Erzählung aus seinem letzten Buch Anna nicht vergessen und Margit Schreiner aus Haus, Friedens, Bruch. Den ersten Abend beschlossen dann der in der Türkei geborene, in Kiel lebende Feridun Zaimoglu, der seinen neuen Roman Liebesbrand präsentierte, und der Berlin-Moskauer Vladimir Kaminer.

Weiter ging es am Samstag mit Egyd Gstättner, Helene Flöss, Julia Franck und Peter Weber, der sich in seinem musikalischen Buch Die melodielosen Jahre mit der "Schwellenzeit zwischen analog und digital" auseinandersetzt. Fulminant wie immer Antonio Fian, der auch als letzter, mittlerweile war es zwölf Uhr nachts, das schon leicht ermattete Publikum bei der Stange hielt.

Nicht das schlechteste Zeichen

"Literatur & Wein" also. Wenn man von diesem vom Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich organisierten Festival spricht, darf man nicht nur von dem ausgezeichneten Programm, den Lesungen und dem Veranstaltungsort samt atemberaubendem Blick auf Rebberge und Donau reden. Erwähnen muss man auch die Sinnlichkeit, mit der in katholischem Ambiente Literatur vermittelt wird, und die besondere Stimmung - nicht nur im freskengeschmückten Sommerrefektorium, wo man die Weine (für welche die Autoren Patenschaften übernehmen) verkostet.

So kann es hier schon mal vorkommen, dass Professoren auf Kinder gerade lesender Autorinnen aufpassen, oder ein Schriftsteller bei einem Glas Wein mit einem Fan über Lesen, Leben und Schreiben diskutiert. Leider fielen mit Laederach, Silke Scheuermann und Uwe Timm, die alle krankheitshalber absagen mussten, gleich drei bedeutende Programmpunkte aus. Trotzdem behielt das Festival Substanz und Kontur. Nicht das schlechteste Zeichen.

(Der Standard, 15. April 2008)